Zur Startseite (Home) Informatik - Forschung
Dipl. Kfm. W. Salhöfer

Die systemische Sichtweise als Grundlage für die Modellierung von Anwendungssystemen durch sprachliche Rekonstruktion von Wissen

Viele Probleme entstehen durch eine oftmals nicht vorhandene ganzheitliche Sichtweise. Es werden Teilaspekte herausgegriffen, ohne alle Verzweigungen und Abhängigkeiten zu berücksichtigen, die in der Realität bestehen. Aus analytischen Gründen kann man dies durchaus temporär tun. Spätestens jedoch wenn alle "Bausteine" zu einem "Ganzen" für die Realität zusammengesetzt werden sollen, ist die Stunde der Wahrheit gekommen.

Die Welt wächst durch die Globalisierung immer mehr zusammen. Hierdurch entstehen Abhängigkeiten und Wirkungen von bisher ungeahnten Dimensionen. Aus diesem Grunde werden eine systemische Sichtweise und ein systematisches Vorgehen bei der Lösung von Problemen immer wichtiger.

Hier erscheint ein systemischer Ansatz, d.h. Systeme als Grundlage für die Modellierung, Wissensrepräsentation, Rekonstruktion, Steuerung etc. zur Bewältigung zukünftiger Probleme sinnvoll zu sein. Systematik bei der Vorgehensweise ist sinnvoll, weil hierdurch sichergestellt werden kann, dass keine u.U. funktionswichtigen Aspekte übersehen werden. Systematik ist also die planmäßige Darstellung, einheitliche Gestaltung sowie Gliederung nach sachlichen und logischen Zusammenhängen. Eine Systematik ist etwas Statisches (z.B. das Ergebnis systematischer Arbeitsweise). Eine Systematik ist aber nur eine Teilmenge des systemischen Ansatzes. Selbstverständlich können sich Systematiken ändern, können aber keine Eigendynamik haben, wie dies bei bei Systemen (z.B. autopoietische Systeme) der Fall sein kann.

Politiker verändern Bestehendes, sind also auch dynamisch. Typische Tätigkeiten hierzu sind z.B. Analysieren, Abwägen, Entscheiden, Verbindlich machen, Ziele setzen, Kommunizieren, Initiieren. Um dies modellieren zu können, ist der systemische Ansatz meines Erachtens am besten geeignet. Systeme bestehen u.a. aus Elementen, Beziehungen, Grenzen und Umwelt.

Systemelemente haben Eigenschaften, Prozesse, Ziele, Strukturen etc. und können selbst wiederum Teile von Systemen sein. Beziehungen bestehen u.a. durch Austauschprozesse (z.B. Kommunikationen) und Relationen. Grenzen trennen und verbinden System und Umwelt und konstituieren Differenzen zwischen System und Umwelt, reduzieren also Komplexität. Hier ist der Ort für Interfaces (gemeinsame Gremien; gemeinsamer zweckorientierter Sprachgebrauch etc.)

Mit Hilfe des systemischen Ansatzes lassen sich fachliche Gegebenheiten aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Soziales etc. gut darstellen, analysieren, modellieren etc..

Beispiele :

Systemtheorie

Politik

Wirtschaft

Element

Gesundheitswesen

Unternehmen, Organisation

Eigenschaften

Kosten, Heilungsquote

Umsatz, Ertrag, Bekanntheitsgrad

Prozesse

Behandlungen

Produktion

Grenzen (innen-aussen)

stationär – ambulant,

Ärzte - Patienten

Kunde – Lieferant

Strukturen

Verbände

Konzerne

 

 

Der systemische Ansatz ist mit dem objektorientierten Paradigma kompatibel :

Systemelemente

Entsprechen

Objekte

Eigenschaften

"

Attribute

Prozesse

"

Funktionen, Prozeduren

Grenzen

"

Interfaces, Schnittstellen

System-Strukturen, -Hierarchien, -Modelle

"

Objekt-Strukturen, -Hierarchien, -Modelle

Auch hinsichtlich der Sprache, Rekonstruktion etc. bestehen Entsprechungen bei Systemelementen, Eigenschaften etc. zu Begriffen, Inhalten etc..

Für alle oben aufgelisteten Tätigkeiten bildet der systemische Ansatz eine gute Grundlage, sowohl für die sprachliche Rekonstruktion, die computertechnische Verarbeitung als auch für die fachliche Sichtweise (Politik, Wirtschaft etc.) und somit auch für die Beratung.

Die Darstellung der Struktur derartiger Systeme könnte man dann Systematik bezogen auf einen Zeitpunkt Tn nennen. Die Veränderung von Systemen auf ein Ziel hin könnte auch einer Systematik folgen, beispielsweise zusammen mit einer begleitenden Soll - Ist Analyse in Verbindung mit Regelkreisen. (Lehr- / Lernprozesse verändern ebenfalls Systemzustände in Richtung auf Lernziele)

Um bei Anwendern (Politiker, Unternehmensleitung etc.) die erforderliche Akzeptanz zu erreichen, müssen Nutzeffekte vorhanden sein, die den investierten Aufwand, der bei der Rekonstruktion entsteht, überkompensiert. Dies können beispielsweise sein :

- Bessere Automatisierung (Fehlerfreiheit, Verarbeitungsgeschwindigkeit etc.) führt zu höherer Qualität.

- Neuartige Produkte ermöglichen Produktivitätssteigerungen

- Abbau von Kommunikations- und Übersetzungsproblemen

- Klarere und leichtere Verständlichkeit führen zu effizienteren Vorgehensweisen

Auch hier ist die systemische Sichtweise für die Rekonstruktion des Sprachhandelns sinnvoll, wenn man Insellösungen, die nur zu temporären Verbesserungen führen, vermeiden will.

Der Aufwand für die Rekonstruktionen amortisiert sich durch die wiederholte Anwendung des Rekonstruierten mit geringen Kosten, aber hohem Nutzeffekt. Es muss somit das rekonstruierte Wissen entweder vom Menschen erlernt und eingeübt oder bei technischen Systemen programmiert werden. Die Nutzung technischer Systeme entlastet den Menschen von repetitiven Aufgaben oder dient als Werkzeug.

Somit wären wir also bei der Mensch-Maschine Schnittstelle. Für deren Evolution ist der Denkhorizont für anstehende Forschungen zu berücksichtigen. Ein Visionär würde hier selbstverständlich Spracherkennung und Sprachverstehen bei den Computern als in der Zukunft perfekt funktionierend voraussetzen und darauf aufbauen. Doch noch ist es nicht so weit. Somit könnten sich rechnergestützte "Reparaturen" von sprachlichen Defekten vorläufig nur auf geschriebene Sprache beziehen, was Akzeptanzprobleme bei der "Rede" von Politikern zur Folge hat. Eine rechnergestützte "Reparatur" setzt Kontext-Verstehen voraus. Ein systemischer Ansatz könnte in gewisser Weise systemspezifisches Kontextwissen bereitstellen, begriffliche Überschneidungen feststellen und entsprechende Hinweise geben. z.B. bei Fachsprachen der Systeme Gesundheit, Wirtschaft, Ausbildung.

Begriffs-Rekonstruktion im politischen Umfeld muss die verschiedenen Adressaten politischer Rede (Wähler, Bürger, Bedienstete, Diplomaten, oberste Führungsorgane, Staaten etc.) berücksichtigen. Je nach Zielgruppe enthalten gleiche Vokabeln oder Redewendungen unterschiedliche Bedeutungen und werden unterschiedlich verstanden mit den entsprechenden Wirkungen.

Fasst man diese unterschiedlichen Gruppen als Systeme auf, wobei ein und dieselbe Person durchaus unterschiedlichen Systemen angehören kann, so können auch hier Unterschiede, Interaktionen, Relationen, Veränderungen etc. mit einer systemischen Sichtweise, auch in Verbindung mit Meta-Systemen gut modelliert und rekonstruiert werden.


webmaster@salhoefer.org

24.04.2024 12:04